Die "Self-Inquiry-Meditation" ist ein Teil des Systems "Yoga im täglichen Leben". Ebenso wie wir in diesem System bei der Übung von Asanas und Pranayamas systematisch angeleitet und weitergeführt werden, sind auch die Konzentrations- und Meditationsübungen stufenweise aufbauend.
Die Techniken der "Self-Inquiry-Meditation" verhelfen uns zur Selbst-Erkenntnis, Selbst-Kontrolle und Selbst-Entfaltung, mit dem Ziel der Erfahrung und Verwirklichung des göttlichen Selbst (Atma) in uns. Ein so hohes Ziel kann nicht von heute auf morgen erreicht werden, sondern erfordert Selbstdisziplin, Übung und Anleitung durch einen Meister.
Die "Self-Inquiry-Meditation" beginnt mit der Frage: "Wie bin ich?", um schließlich zur Antwort auf die grundlegende Fragestellung unseres Daseins: "Wer bin ich?" zu finden.
Durch Meditation erlangen wir spirituelles Wissen (Para Vidya), das im Unterschied zum intellektuellen Wissen (Apara Vidya) ewig und unveränderlich ist. Dieses Wissen kann nicht gelehrt und daher auch nicht erlernt werden.
Es entfaltet sich im Innern durch Anerkennen und Befolgen der kosmischen Gesetze, Mantraübung, Meditation und den Segen des Meisters.
Um zur Erkenntnis des Atma gelangen zu können, ist es zuvor notwendig, die drei Bewusstseinschichten – Bewusstsein, Unterbewusstsein und Unbewusstes – gründlich zu erforschen und zu durchleuchten.
Nur dann, wenn alle Bewusstseinsinhalte freigelegt und gereinigt sind – und dies kann nur geschehen, indem wir sie uns bewusst gemacht haben – eröffnet sich das Tor zum höchsten Bewusstsein und offenbart sich uns der göttliche Atma.
In der "Self-Inquiry-Meditation", führen wir zuerst Übungen zur Erlangung vollkommener körperlicher Entspannung und geistiger Ruhe durch. Als nächstes trainieren und erweitern wir unsere Konzentrationsfähigkeit, Vorstellungskraft und Imagination.
Dann wenden wir uns den Inhalten unseres eigenen Bewusstseins zu, unseren Eigenschaften, Vorstellungen und Denkweisen.
Dabei ist es wichtig, sich von vorgefassten Meinungen und Urteilen zu lösen und einen neutralen, unvoreingenommen Standpunkt einzunehmen. Nur so können wir neue Perspektiven und Erkenntnisse gewinnen.
Haften wir also nicht an eingefahrenen Gleisen, wiederholen wir nicht "altbekannte Lektionen" und bleiben wir auch nicht in Emotionen stecken, sondern wagen wir uns über die Grenzen des Intellektes hinaus, um einzutauchen in die Tiefen unseres Bewusstseinsraumes.
Oft glauben wir, uns gut zu kennen, wenn wir aber tiefer in uns hineinblicken, zeigt sich bald, dass wir so manches über uns nicht wissen. Vielleicht werden wir erstaunt sein, wie viele schöne und positive Eigenschaften wir in uns entdecken: Mitgefühl, Verständnis, Liebe, Demut, Geduld und Disziplin, Aufrichtigkeit, Zielstrebigkeit, Zufriedenheit, Freude und tiefinnere Glückseligkeit. Indem wir uns ihrer bewusst werden, bedeuten sie eine große Hilfe für uns selbst, unsere spirituelle Entwicklung und unsere Beziehung zu den Mitmenschen.
In manchen Fällen werden wir jedoch auch von negativen Seiten überrascht. Diese behindern unsere spirituelle Entwicklung und schaffen Disharmonie in uns selbst und in unserer Umgebung. Prüfen wir uns ehrlich: sind wir ängstlich, gierig, ehrgeizig, neidisch, eifersüchtig, intolerant, nachtragend, jähzornig, eitel, mit Komplexen behaftet? Oft sind wir uns solcher Wesenzüge gar nicht bewusst oder meinen, wir hätten sie bereits völlig überwunden. Doch irgendwann tauchen sie doch wieder aus der "Versenkung" auf. Sie ruhen im Unterbewusstsein wie Samen, die darauf warten, günstige Bedingungen zum Keimen zu finden.
Unser Dasein bewegt sich im Bereich von vier Bewusstseinsebenen:
- Unbewusstes
- Unterbewusstsein
- Bewusstsein
- Überbewusstsein
Im Unbewussten befinden sich die karmischen Spuren unserer früheren Inkarnationen. Im Unterbewusstsein liegen alle Erfahrungen und Eindrücke unseres gegenwärtigen Daseins, welche seit dem Eintritt unserer Seele in den Mutterleib dort aufgezeichnet und gespeichert wurden. Das Unterbewusstsein enthält alles, was wir je erlebt und erfahren haben, alle Sinneseindrücke, bewusste wie unbewusste. Man könnte es mit einem Tonband vergleichen, das alle Geräusche festhält, die von einem Mikrofon aufgenommen werden. Das Unterbewusstsein speichert alles, Schönes und Freudvolles ebenso wie unterdrückte Probleme, zwiespältige und aggressive Gefühle, Ängste, Traurigkeit, Hoffnungen und Wünsche.
Indem wir in der Meditation tief in uns hineintauchen, können wir uns dieser im Unterbewusstsein ruhenden "Samen" bewusst werden. Durch das Erkennen und Analysieren der Ursachen und Zusammenhänge wird es uns möglich, sie aufzulösen und damit endgültig zu beseitigen.
Ein Beispiel: Jemand leidet unter scheinbar grundlosen Ängsten und sucht Hilfe bei einem Psychiater. Bei der Analyse seiner Vergangenheit findet er heraus, dass der Ursprung dieser Ängste in einem bestimmten Ereignis in der Kindheit liegt. Durch das Erkennen der Ursache verliert die Angst an Bedeutung und der Betroffene kann sich bewusst davon lösen.
Die unbewussten oder unbewältigten Überreste von Ereignissen aus der Vergangenheit, die im Unterbewusstsein lagern, beeinträchtigen uns nur so lange, bis uns die wirklichen Zusammenhänge bewusst werden. Im Licht des Wissens verschwinden diese "Schatten" sofort.
In der Übung der "Self-Inquiry-Meditation" erforschen wir unsere innere Welt und lernen jene psychische Funktion in uns näher kennen, die die Verbindung zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein herstellt, den Geist.
Der Geist gleicht einem mächtigen Fluss. Ein Fluss kann nicht auf Dauer zurückgestaut oder zum Stillstand gebracht werden. Wenn wir einen Damm errichten, ohne eine Abflussrinne vorzusehen, so wird das Wasser zwar zunächst zurückgehalten, irgendwann aber wird es zu einer Katastrophe kommen. Der Damm wird brechen und das Land von den reißenden Fluten überschwemmt werden. Wenn wir unseren Geist zu stark zügeln und unsere Wünsche und Gefühle gänzlich unterdrücken, wird die Spannung im Unterbewusstsein sich explosionsartig entladen, wenn der innere Druck zu hoch geworden ist.
Wir können dem Geist zwar nicht Einhalt gebieten – wir können ihm aber eine Richtung weisen, so wie man einen Fluss reguliert, um unkontrollierte Überflutungen und Schäden zu vermeiden. Durch die "Self-Inquiry-Meditation" lernen wir, die "Instrumente" unseres Bewusstseins – den Geist und die Sinne – zu kontrollieren und zu regulieren, ohne ihre Aktivität zu unterdrücken.
Die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass wir uns selbst und unsere inneren Beweggründe kennen und verstehen lernen. Dadurch können wir rechtzeitig eingreifen und verhindern, dass die Gedanken eine Richtung einschlagen, die uns in der Folge Probleme und Leid verursachen könnte.
In der "Self-Inquiry-Meditation" lernen wir uns selbst und auch die anderen verstehen. Wir lernen uns selbst und auch den anderen verzeihen. Wir reinigen unser Unterbewusstsein und lösen allmählich unsere inneren Hemmungen und Komplexe. Unser Denken wird geordnet und klar, wodurch wir viele Schwierigkeiten im Leben überwinden und vermeiden können. Wir erkennen schließlich unser wahres Wesen und unser Ziel im Leben und bringen unser inneres Selbst zur Entfaltung.
Prüfen wir unser eigenes Leben. Suchen wir nur materiellen Genuss oder streben wir nach Erkenntnis und spirituellem Wissen? Essen, Trinken, Schlafen und Zeugen füllt das Leben der Tiere aus. Wenn wir nur danach und nach nichts Höherem streben, vergeuden wir unser menschliches Potential.
Wer sich aber bewußt ist, welche Chance das menschliche Dasein bietet, nimmt sich Zeit zu beten und zu meditieren, ganz gleich zu welcher Religion er sich bekennt. Gott ist überall. Er ist die allgegenwärtige, bewußte Energie, die alles Geschaffene und Lebendige durchdringt.
Das Ziel, zu dem "Yoga im täglichen Leben" und "Self-Inquiry-Meditation" uns führt, ist Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung in der Vereinigung mit dem Selbst.